Das man sich bei der Analyse nicht ausschließlich auf Fat Fritz verlassen sollte, hat unser Schachcomputerspezialist Benny in seinem letzten Beitrag bereits erwähnt. Ich möchte in diesem Beitrag anhand eines exemplarischen Beispiels die Grenzen von Fat Fritz aufzeigen. Schauen wir uns folgende Stellung an:
Weiß ist am Zug und kann durch geschicktes Spiel das notwendige Tempo gewinnen, um die schwarze Dame zu erobern. Lässt man Fat Fritz diese Stellung per Daueranalyse inspizieren, hält die Engine an dem Schlagen des Bauern mittels 1.Lxb7 fest und bewertet die Stellung nach diesem Zug richtigerweise für Schwarz gewonnen. Nach einer halben Stunde Analysezeit habe ich Fat Fritz von dieser Aufgabe erlöst und Stockfish 10 die Chance gegeben, es besser zu machen. Nach wenigen Sekunden fand Stockfish dann auch die lehrreiche Lösung 1.a6!
Will Schwarz den Vormarsch des Bauern und das Erreichen des Umwandungsfeldes verhindern, muss er diesen Bauern schlagen 1…bxa6 – Schwarz hat also nicht die Zeit, die Dame auf das rettende Feld h5 zu ziehen. Nun kann der weiße Läufer aber auf c6 Schach geben 2.Lc6+ und wieder kann Schwarz die Dame nicht ziehen, da er auf das Schach reagieren muss. Egal wohin der König nun aus dem Schach flüchtet (beispielsweise 2…Kd8), folgt von Weiß mittels 3.Le8!! ein treffsicherer linker Haken. Wieder kann die schwarze Dame nicht über das Feld h5 flüchten, da der Läufer dieses Feld kontrolliert. Schlägt Schwarz nun diesen Läufer mittels 3…Kxe8, hat Weiß nun das entscheidende Tempo und zieht 4.Sd5! – Und einmal mehr kann die schwarze Dame nicht über das Feld h5 flüchten, da die Springergabel Sf6+ mit Gewinn der Dame droht. Gleichzeitig droht Weiß aber auch mit Sf4 die Dame anzugreifen und dabei das Fluchtfeld h5 zu kontrollieren. Für Schwarz gibt es kein entkommen. 😉
Solche studienhaften Lösungen gibt es im Schach öfter, als man denkt. Deswegen gibt es auch von mir die Empfehlung, neben Fat Fritz eine herkömmliche CPU-Engine mit in die Analyse einzubeziehen.
Nur wenige Tage nachdem Fritz 17 auf dem Markt war, erreichten uns die ersten Support-Anfragen. Ein Grundproblem zeigte sich bereits bei der Installation. Bei den ersten ausgelieferten Exemplaren wurde Fritz 17 ohne Probleme installiert. Zumindest die GUI (Anwenderoberfläche). Bei einigen Anwendern tauchte die Fritz 17 Engine (die UCI von Frank Schneider) jedoch nicht in der Engine-Liste auf. Nachdem der Chessbase-Support den betroffenen Anwendern eine neue Setup-Datei zur Verfügung gestellt hat, war dieses Problem gelöst.
In den aktuell erhältlichen Fritz 17 ist dieses Problem behoben und ich gehe davon aus, dass es nur die Download-Version betraf. Kommen wir nun aber zu einer weiteren kleinen Hürde. Neben der Fritz 17 CPU-Engine von Frank Schneider, liegt das Augenmerk der meisten Anwender hauptsächlich auf der Fat Fritz Engine. Basierend auf dem kostenlos erhältlichen Community Projekt Leela Zero (Lc0), soll Fat Fritz allen aktuellen Engines das Fürchten lehren.
Startet man jedoch nach der Installation Fritz 17, ist in der Engine-Liste weit und breit nichts von Fat Fritz zu finden. Dieses Problem lässt sich aber recht schnell lösen. Auf der DVD befindet sich ein Ordner namens „Setup“, in welchem wir die Datei namens „Setup_Fat_Fritz.exe“ finden. Mit einem Doppelklick auf die Datei beginnt die Installation von Fat Fritz. Interessant ist hierbei, dass während der Installation die vorhandene Hardware auf GPUs geprüft wird und sich die Installation entsprechend angepasst wird. Für Besitzer von 32-Bit Windows-Betriebssystemen kommt die Ernüchterung allerdings ziemlich schnell. Fat Fritz läuft nur auf 64-Bit Windows-Betriebssystemen, wie ein entsprechender Hinweis während der Installation verrät.
Etwas irritierend ist hierbei allerdings, dass die Installation trotz des 64-Bit-Hinweises komplett durchläuft. Startet man aber nun Fritz 17, findet man kein Fat Fritz in der Engine-Liste. Da Fat Fritz nicht gerade wenig Platz auf der Festplatte beansprucht, will man es in diesem Fall natürlich löschen. Eine Deinstallations-Routine sucht man allerdings vergebens.
Auf einem 64-Bit Windows-Betriebssystem hat man diese Probleme nicht. Startet man Fritz 17 nach der erfolgreichen Installation, finden sich eine Vielzahl von neuen Engines in der Engine-Liste. Zu meiner Überraschung wurden neben den verschiedenen Fat Fritz-Versionen auch einige Lc0-Engines (Leela Zero) installiert.
Fat Fritz in der Analyse
Uns interessiert aber zunächst nur Fat Fritz. Je nach verbauter Grafikkarte, kann man den entsprechenden Fat Fritz laden. Wer keine leistungsstarke NVIDIA-Grafikkarte besitzt, muss nicht unbedingt in die Röhre schauen. Hier wählt man einfach die „Fat Fritz opencl“-Engine und los geht’s. Auf einem unserer Testrechner konnte selbst mit einer 10 Jahre alten ASUS-Grafikkarte noch eine Leistung von im Schnitt gut 300 Knoten pro Sekunde erreicht werden. Reicht das aus, um gute Ergebnisse zu erhalten?
Wenn man bedenkt, dass eine kleine NVIDIA-Grafikkarte GTX1050 bereits für 100,-€ gehandelt werden und eine Leistung von 1500 Knoten pro Sekunde verspricht, ist die Frage durchaus berechtigt. Es kommt ganz darauf an, wie man Fat Fritz einsetzen möchte. Ich selbst bin kein Fan von Engine gegen Engine Partien, um die Spielstärke einer Engine zu messen. Mein Einsatzgebiet ist die Analyse von Eröffnungsvarianten und das Finden von neuen Ideen in verschiedenen Eröffnungen.
Genau hier liefert Fat Fritz auch mit 300 Knoten pro Sekunde ziemlich gute Ergebnisse. Bevor es Leela Zero und Fat Fritz gab, habe ich meine Lieblingseröffnungen oft wochenlang mit Stockfish 10 über einen Remote-Server mit 64 Threads analysieren lassen. Die Ergebnisse waren ziemlich gut, aber oft auch ernüchternd, weil die eine oder andere Variante am Ende doch nicht so vielversprechend war, wie ich erhoffte.
Diese über Wochen angesammelten Stockfish 10-Analysen setzte ich nun Fat Fritz vor die Nase. Zu meinem Erstaunen benötigte Fat Fritz mit 300 Knoten pro Sekunde gerade mal ein paar Minuten, um die wirklich tiefen Stockfish-Analysen zu bestätigen und tatsächlich in einigen Fällen auch zu verbessern. Varianten, welche ich mit Stockfish über viele Tage mit neuen Ideen zu reparieren versuchte, waren für Fat Fritz mit nur Minuten an Bedenkzeit kein Problem. Die Engine zeigte mir sehr kreative Ideen in sorgenvollen Varianten, auf welche ich nie und nimmer gekommen wäre.
Fat Fritz für den Schachspieler
Als Leela Zero langsam aber sicher in Richtung Großmeister-Niveau optimiert wurde, habe ich neben Stockfish auch Leela Zero für meine Analysen eingesetzt. Leela Zero war ab dem Moment mein Ideengeber. Problematisch wurde es aber, wenn Schachspieler aus meinem Freundeskreis ebenfalls Leela Zero verwenden wollten, aber keine Ahnung hatten, wie sie die Engine zum Laufen bekommen sollen. Je nach Hardware, musste an tausend Schräubchen in der Konfiguration gedreht werden, um passable Ergebnisse zu erhalten. Ein absoluter Zeitfresser, aber was macht man nicht alles für gute Freunde !? 😉
Mit Fritz 17 bekommt nun jeder Schachspieler alles out-of-the-box. Beachten muss man aber den Anwendungsbereich. Ich habe mir die Konfigurationen der einzelnen Fat Fritz Engines angeschaut und kann sagen, dass Fat Fritz den Schwerpunkt definitiv auf die Analyse legt. Für Engine-Zweikämpfe sind die Konfigurationen nur bedingt geeignet, was aber der Zielgruppe von Fritz 17 (Schachspieler) relativ egal sein kann. Der Teil der Schachcommunity, welcher Engine-Ranglisten führt und Engine gegen Engine Kämpfe durchführt ist versiert genug, um die Konfigurationen entsprechend anzupassen.
Eine Lieblingsfunktion vieler Fritz-Anwender ist die sogenannte „Vollanalyse“. Nicht wenige Schachspieler füttern nach einem Mannschaftskampf ihren Fritz mit der gerade gespielten Partie und lassen diese Vollanalyse über die Züge flutschen. Dies zum Leidwesen aller Schachtrainer. Die Vollanalyse durchleuchtet die gespielte Partie, gibt taktische Hinweise, trägt alternative Varianten ein und kommentiert mehr oder weniger sinnvoll Ideen und Züge mit verbalen Noten. An der Funktion an sich kann man grundsätzlich nichts aussetzen, jedoch kann man die Vollanalyse wesentlich sinnvoller einsetzen. Anstatt seine Partie direkt einzugeben und die Vollanalyse drüber rutschen zu lassen, empfehle ich folgende Vorgehensweise. Nachdem man seine Partie gespielt hat, findet meist zusammen mit dem Gegner eine Post-mortem-Analyse statt. Diese sollte natürlich ohne Engine stattfinden. Hierbei notiert man sich die Gedanken und Ideen die man während der Partie hatte und auch die Varianten, welche man berechnete. Solltet ihr auf einen auskunftsfreudigen Gegner getroffen sein, werden auch seine Gedanken notiert. Anschließend setzt man sich zu Hause ans Fritz-Brett und gibt die Partie mit den Post-mortem-Analysen in sein Fritz sein. Natürlich immer noch ohne Engine. Sobald ihr eure Partie mit den Analyse-Varianten eingetragen habt, könnt ihr die Vollanalyse starten. Fritz wird nun nicht nur eure Partiezüge analysieren und bewerten, sondern auch eure Varianten, über welche ihr in der Partie nachgedacht habt. Der Lerneffekt ist wirklich groß.
Hat man bei seinen Analysen bisher immer auf Stockfish vertraut, sollte man ab sofort sowohl Stockfish, als auch Fat Fritz verwenden. Es ist bemerkenswert, wie Fat Fritz in so manchen Stockfish-Analysen noch die eine oder andere Ressource findet, mit welcher der Gegner mehr Widerstand hätte leisten können. Anbei ein Beispiel:
Stockfish 10 Analyse
Fat Fritz Analyse
Es handelt sich hierbei um die Vollanalysen einer zuletzt von mir im Mannschaftskampf gespielten Schachpartie. Die Bewertungen von Fat Fritz und Stockfish 10 sind sind ziemlich ähnlich. Aber im 41. Zug sieht Fat Fritz schon, wohin die Reise führt und zeigt interessante Varianten, in welchen Stockfish 10 im Dunkeln tappt. Interessant ist auch, dass ich für die Vollanalyse im Fall von Stockfish 10 leistungsstarke XEON-Prozessoren mit 64 Threads verwendet habe und 128 Gigabyte RAM.
Bei Fritz und Chessbase werden nur die lokal vorhandenen CPUs/Threads (8) angezeigt und nicht die auf einem Remote-Server vorhandenen CPUs/Threads (64).
Im Vergleich hierzu hatte Fat Fritz weit weniger Hardware-Power zur Verfügung. Eine alte AMD Radeon HD 7700 und 32 GB Ram standen Fat Fritz zur Verfügung.
Hier sieht man sehr schön, dass der normale Schachspieler mit Fat Fritz nicht unbedingt die neuste und stärkste Hardware benötigt, um gute Resultate zu erhalten. Es ist klar, dass bessere Hardware immer besser ist, aber für unser Vereinsniveau ohne Ambitionen auf den Weltmeistertitel sind die Analysen auf etwas betagter Hardware vollkommen ausreichend.
Wovon ich aber auf jeden Fall abrate, ist die Verwendung der CPU-Version von Fat Fritz in der Analyse. Mit einer handvoll Knoten pro Sekunde produziert Fat Fritz ein ziemliches Abenteuer an Varianten und Analysen.
Spaß macht hier nur das direkte Spielen gegen die Fat Fritz CPU Engine. Mit solch geringer Rechenleistung spielt Fat Fritz ziemlich witziges Schach. Dabei lässt diese Engine auch gerne mal den Gewinn einer Figur aus, um seine Stellung zu verbessern. Einfach mal ausprobieren 😉
Was gibt es sonst noch so Neues in Fritz 17?
Auf den ersten Blick nicht viel. Hier und da merkt man aber, dass an allen Schrauben gedreht wurde. Von mancher Schraube hätte man aber besser die Finger gelassen. Beispielsweise die Funktion „Partieformular entziffern“. Gibt man eine Partie ein, werden die Züge von Weiß in die Spalte der schwarzen Züge eingetragen. Während der Zugausführung sind sporadisch auch einzelne Figuren/Bauern auf dem Brett verschwunden. Aber das sind Kinderkrankheiten, wie wir sie von jeder neuen Fritz-Version kennen. Erst ein paar Tage auf dem Markt, gibt es für Fritz 17 bereits das dritte Update zum Download, welches diese Kinderkrankheiten ausmerzen soll. Weitere Updates werden sicher folgen und in etwa 6 Monaten wird Fritz 17 wohl in der Version „stable“ sein.
Fritz 17 Fazit
Die Fritz-Versionen der letzten Jahre hinterließen immer den Eindruck, dass Chessbase alten Wein aus neuen Schläuchen liefert. Dementsprechend wurden mit jeder neuen Fritz-Version auch keine Verkaufsrekorde gebrochen, um es nett zu formulieren. Fritz 17 ist hier anders. Zwar missfällt mir, dass ein kommerzielles Unternehmen die Arbeit der Leela Zero Community für sich selbst vergolden möchte, aber gleichzeitig bietet Chessbase mit Fritz 17 und Fat Fritz jedem Schachspieler die Möglichkeit, ohne großen Aufwand an den neuen Analysetechniken teilzuhaben.
Nach vielen Jahren ist es das erste Mal, dass ich eine neue Fritz-Version tatsächlich empfehlen kann und nicht auf die älteren und damit günstigeren Fritz-Versionen verweise.