Über das 65F02 Projekt von Jürgen und Roland habe ich ja bereits Einiges geschrieben. Nun ist es an der Zeit, den 65F02 in der Praxis zu testen. Ich verzichte bewusst auf Schachcomputer gegen Schachcomputer Partien, da ich als Schachspieler am liebsten selbst spiele und mir damit einen besseren Eindruck machen kann, wie stark die 8-Bit Programme mit dem 100 Mhz Tuning laufen.
Als ersten Gegner habe ich mir den Mephisto Nigel Short ausgesucht. Es handelt sich hierbei um einen Mephisto Milano, bei welchem ich das Milano-Programm gegen das Nigel Short-Programm ausgetauscht habe. Im Original läuft das Programm von Ed Schröder in dem Gerät mit einem Takt von knapp 5 Mhz und ich war gespannt, wie sehr dieser Brettcomputer von dem Schub auf 100 Mhz profitieren wird.
Zunächst musste aber erstmal der 65F02 eingebaut werden.
Um an den Prozessor zu kommen, müssen einige Schrauben auf der Unterseite der Platine gelöst werden.
Das ist schnell erledigt. Über dem Nigel Short EPROM ist der Originalprozessor gut erkennbar. Bis hier hin kann man im Prinzip nichts falsch machen. Noch ein kleiner Tipp von mir. Bevor man mit dem Auseinanderbauen von Schachcomputern beginnt, sollte man immer Fotos vom Originalzustand machen. Beim dem vorliegendem Gerät ist das nicht so wichtig, aber es gibt auch Schachcomputer, welche in einer bestimmten Reihenfolge auseinandergebaut und wieder zusammengebaut werden müssen. Man spart sich dadurch eine Menge Arbeit.
Auch ist es wichtig, immer das richtige Werkzeug parat haben.
Für das Entfernen von gesockelten EPROMs und Prozessoren sollte man immer eine entsprechende EPROM/Prozessoren Zange verwenden. Damit geht das sehr einfach und unkompliziert. Nicht wenige Tüftler verzichten auf eine solche Zange und hantieren mit einem Schraubenzieher am Sockel herum. Das kann schnell ins Auge gehen. So eine Zange gibt es für unter einem Euro in jedem Elektroladen und erspart eine Menge Frust 😉
Haben wir den originalen Prozessor entfernt, setzen wir vorsichtig den 65F02 in die Halterung ein. Die Kerbe auf dem leeren Prozessor-Sockel zeigt uns, in welche Richtung wir den 65F02 einsetzen müssen. Hat das alles geklappt, schrauben wir den Mephisto Nigel Short wieder zusammen. Manchmal ist es ratsam, vor dem Zusammenschrauben den Schachcomputer kurz zu testen. Im Falle des Nigel Short kann man aber wenig falsch machen, weshalb ich mir diesen Schritt spare. 🙂
Ich schließe das Netzteil an und die Meldung „mephisto nigel short“ erscheint im Display. Bevor ich meine erste Partie starte, starte ich Analyse-Modus des Nigel Short, ziehe den Bauern von h2-h4 und drücke den INFO-Button so lange, bis ich die Anzahl der Positionen pro Sekunde sehe, welche der Nigel Short nach h2-h4 berechnet. Im Original sind das etwas über 1000 Stellungen pro Sekunde. Mit dem 65F02 werden nun wahnsinnige 12000 bis 13000 Positionen pro Sekunde angezeigt. Donnerwetter! Der 65F02 funktionert!
Nun aber zur ersten Schachpartie. Für gewöhnlich spiele ich gegen Schachcomputer 15 Minuten Schnellschachpartien auf höchster Spielstufe. Gegen den Nigel Short habe ich im 5 Mhz Betrieb unzählige Partien gespielt und kenne die Schwächen und Stärken des Programms in- und auswendig. Gegen die Programme von Ed Schröder sollte man aus der Eröffnung heraus immer die gegnerische Bauernstruktur in „Unordnung bringen“. Was für jeden besseren Vereinsspieler kein Problem darstellt, wird beim Programm von Ed Schröder schnell zum Problem, wie man an meiner ersten gespielten Partie deutlich sieht.
Ich habe mich mit den weißen Steinen für eine sehr solide Variante im Spanier entschieden, bei welcher ich von Beginn an strukturelle Vorteile im Endspiel haben werde, sofern ein Endspiel aufs Brett kommt. Nach etwa 7 Zügen war das Programm dann auch aus dem Buch und der spannende Teil der Partie begann. Ich muss hier anmerken, dass ich mich in den entstehenden Abspielen wie zu Hause fühle und meine Züge fast a tempo gezogen habe. Ich wollte dem Nigel Short so wenig wie möglich die Gelegenheit geben, meine Bedenkzeit zum Rechnen zu benutzen.
bis zum 9. Zug sah das Spiel vom Nigel Short ziemlich normal aus. Aber 9…a5 würde ich, genauso wie 12…a4 eher als Nullzüge bezeichnen. Mit 22…b6 kam ein weiterer Nullzug hinzu. Mit der Turmverdopplung 21…Tfd8 auf der d-Linie verschwendet der Nigel Short ebenfalls unnötig Zeit. Als Schachtrainer bringe ich meinen Schülern bei, dass man sich vor jedem Zug fragen sollte, inwieweit der geplante Zug das eigene Spiel voran bringt und das gegnerische Spiel stört. Das Spiel von Schwarz wirkte in dieser Partie komplett planlos und ohne Ambitionen. Der Nigel Short hat es mir in dieser Partie ziemlich einfach gemacht und ließ mich seelenruhig einen Angriff am Königsflügel auffahren.
Bei einer Taktung von 100 Mhz hatte ich mit etwas mehr Resistenz gerechnet, aber ich möchte diese Partie etwas relativieren. Die von mir angestrebte Strukturveränderung der Bauernkette am Damenflügel von Schwarz in Verbindung mit einem direkten Angriff am Königsflügel ist die Achillesferse des Programms. Der Nigel Short priorisiert hierbei die Möglichkeit, Türme auf einer halboffenen Linie im Zentrum zu verdoppeln. An für sich eine gute Idee, jedoch lenken ihn diese eigenen positionellen Möglichkeiten davon ab, die Gefahr die am Königsflügel droht, rechtzeitig zu erkennen.
Ein weiterer Fehlgriff war 15…Lxg4. Diesen Läufer muss Schwarz auf jeden Fall behalten, da nach diesem Abtausch das Feld f5 für den weißen Springer auf g3 ein herrliches Plätzchen ist. Der Laie wird nun sagen, dass ein Springer auf f5 problemlos mittels des Bauernzuges g7-g6 vertrieben werden kann, aber genau solche Bauernzüge schwächen die Sicherheit des Königs. Hier laufen eine Vielzahl von positionellen Ideen Hand in Hand. Schwarz sollte in den Abspielen dieser Eröffnungsvariante alles dafür tun, das Läuferpaar zu behalten.
Ich habe die vorliegende Partie noch nicht mit Stockfish & Co. analysiert. Vielleicht hätte ich bei meinem Angriff irgendwo forciert Matt setzen können, aber das Mehrmaterial und die bessere Bauernstruktur in der Schlussstellung reichen für den vollen Punkt, weshalb ich die Partie abgebrochen habe.
Schuld an dieser Niederlage war einzig das im Nigel Short laufende Programm. Hieran können 100 Mhz auch nichts ändern. Der schnellste Pizza-Lieferdienst macht keinen Sinn, wenn der Pizzabäcker sein Handwerk nicht versteht.
Solche schnellen Siege gegen den Nigel Short sind jedoch nicht die Regel. Ich werde noch einige weitere Partien gegen das Programm spielen und bin mir jetzt schon sicher, dass sich das Programm noch rächen wird. 😉 Wenn der Nigel Short Stellungen aufs Brett bekommt, die ihm liegen, kann er schnell kurzen Prozess machen. Ich versuche natürlich auch in den nächsten Partien, dass nicht zuzulassen.
Bis Bald
Euer Benny