Mit dem neusten Fritz 18 Update setzt Chessbase ein weiteres Mal auf die NNUE-Technik und bietet allen Fritz 18-Besitzern kostenlos die Engine „Fritz 18 Neuronal“ zum Download an. Einen Zuwachs von satten 120 ELO soll diese Fritz 18 NNUE Engine gegenüber der bisherigen Fritz18-Engine besitzen. Chessbase gibt eine Spielstärke von 3400 ELO an, wobei der Otto-Normalschachspieler wohl kaum diesen 120 ELO Sprung fühlen wird.
Bereits zweimal versuchte Chessbase mit der NNUE-Technik auf dem Enginemarkt Fuß zu fassen und beide Male endeten diese Versuche (Fat Fritz 1 und Fat Fritz 2) in einem Desaster.
Anders als bei Fat Fritz 1 und Fat Fritz 2, setzt Chessbase zum Berechnen die eigene Fritz 18 Engine ein und zieht bei der Bewertung von Varianten und Stellungen die NNUE-Technik hinzu. Man kann sich Fritz 18 wie ein Motor in einem Auto vorstellen, welcher durch einen Katalysator (NNUE-Technik) die Bewertungen von Stellungen entwickelt.
In meinen Tests brachte die Engine „Fritz 18 Neuronal“ im Bereich „Festungen knacken“ bessere Ergebnisse als die non-NNUE-Fritz 18 Engine, jedoch stellt sich mir die Frage, wer in Zeiten von Stockfish diese Fritz 18 NNUE-Engine wirklich braucht. Aus Marketingsicht macht es für Chessbase sicher Sinn, nochmal auf den NNUE-Zug aufzuspringen und dem aktuellen Technik-Trend von Schachengines zu folgen, aber solange es mit Stockfish die stärkste Engine kostenlos gibt, bleibt „Fritz 18 Neuronal“ nichts weiter als „just another NNUE-Engine„.
Es ist mir seit über 10 Jahren ein Rätsel, warum Chessbase im Bereich Engines immer wieder Versuche unternimmt, ganz oben mitzuspielen und hierbei sogar die eigene Reputation aufs Spiel setzt. Es gab mal eine Zeit, da war Fritz tatsächlich ganz oben, aber diese Zeit war vor gefühlten 20 Jahren. Anstatt mit Fritz irgendwelchen ELO-Punkten hinterherzujagen, hätte sich Chessbase auf das Wesentliche konzentrieren sollen und der Marke Fritz ein Gesicht geben müssen. Mit Fritz 5 (1996) bekam Fritz die Stimme vom Kabarettisten Matthias Deutschmann und genau dieses Feature zog so ziemlich jeden Schachspieler in den Bann. Fritz hatte plötzlich einen launigen Charakter mit Wiedererkennungswert und selbst heute trifft man noch in Schachvereinen auf Spieler, welche beim Spielen typische Fritz-Sprüche raushauen („Auf seinem Grabstein kann man lesen, er war wahrhaftig gut……….gewesen„).
Chessbase hat es bis heute nicht geschafft, diesen Charakter auszubauen. Stattdessen findet man in der Versionshistorie von Fritz allerlei unnütze Features, welche mit der nächsten Version verschwinden und durch andere unnütze Spielereien ersetzt werden, welche in der darauf folgenden Version dann auch wieder verschwinden. Für die Mehrheit der Schachspieler ist Fritz nur noch eine GUI, welche sich kinderleicht bedienen lässt und alles bietet, was das Schachspielerherz begehrt. Anstatt jedes Jahr irgendeinen neuen Schnickschnack in die GUI zu basteln, welcher am Ende nur für neue Bugs in der GUI sorgt, wäre es wohl sinnvoller, wenn Chessbase an der Stabilität und an der Performance der Programme arbeiten würde. Aber hier kommt wohl die Marketingabteilung von Chessbase in die Quere. Ein Feature wie beispielsweise das „Mate-O-Meter“ lässt sich wohl besser bewerben, als farblose Wörter wie „Stabilität“ und „Performance“.
Erinnert sich eigentlich noch jemand an den Mate-O-Meter im Fritz 11? Fritz ist wie ein Weihnachtsbaum, welcher langsam vor sich hin trocknet und jedes Jahr aus dem Keller geholt wird, um ihn mit immer mehr Lametta und Kugeln zu „schmücken“.
Der Dauerbrenner der Wegwerf-Features sind jedoch die 3D-Bretter, deren Hardwarehunger in den letzten Jahren enorm gestiegen ist. Technisch gibt es da immer was Neues zu entdecken und man fühlt, mit welcher Freude die Entwickler bei Chessbase an den Dingern gearbeitet haben. Das sich der Kreis der Nutzer dieser 3D-Bretter in Grenzen hält, ist Chessbase bewusst und es ist lobenswert, dass man bei der Installation von Fritz gefragt wird, ob man sich diesen grafischen Firlefanz antun möchte.
Chessbase gibt in seinen YouTube-Videos immer einen guten Einblick in die Entwicklung von neuen Features. Interessant ist hierbei, dass zur Findung von Ideen für neue Features Top-Großmeister zu Rate gezogen werden. Hier würde ein Blick auf die Wünsche und Vorstellungen von vereinslosen Hobbyspielern sicher zu Features führen, deren Halbwertszeit um Einiges länger ist.
Das kostenlose Fritz 18 NNUE-Engine-Update ist ein nettes und sicher gut gemeintes Geschenk von Chessbase an alle Fritz 18 Besitzer. Ich analysiere aber trotzdem weiter mit Stockfish.
Bis bald
Euer Benny