Mit dem King Modul für den ChessGenius Exclusive Schachcomputer plant die Firma Millennium 2000 in den nächsten Monaten eine zusätzliche Erweiterung auf den Markt zu bringen. Als Programm soll die in Schachkreisen bekannte King-Engine von Johan de Koning den Anwender mit ihren Schachzügen begeistern. Relativ bekannt wurde dieses Programm durch die Chessmaster-Serie vor allem bei Hobbyspielern im nordamerikanischen Raum.
Im Bereich der Brettschachcomputer findet man The King bei den mittlerweile recht seltenen Geräten TASC 30, TASC 40, Mephisto Montreux und dem Saitek 2500. Erwähnen möchte ich auch den Revelation II, bei welchem diese Brettschachcomputer allesamt als Emulation vorliegen. Der wagemutige Spielstil macht dieses Programm zu einem interessanten Gegner für Vereins- und Hobbyspieler. Ich selbst spiele recht häufig Trainingspartien an einem TASC 30 gegen das Programm und kann sagen, dass The King in jeder Partie auf Ärger gebürstet ist. In der Pressemitteilung beschreibt die Firma Millennium 2000 diese Engine wie folgt:
The King spielt häufig aktiv und dynamisch auf Raumgewinn, drängt den Gegner
zurück und gefällt durch sein taktisch geprägtes Angriffsspiel, wodurch es auch für sehr
starke menschliche Gegner schwierig zu schlagen ist.
Obwohl Schachprogramme gerade im Bezug auf Taktik recht stark sein sollen, wird beim The King allerdings genau dieser Spielcharakter zu seinem Verhängnis. So „übersieht“ die Engine regelmäßig die taktischen Chancen seiner Gegner und findet sich anschließend auf verlorenem Posten. Eine schlechte Stellung zu verteidigen macht dem Programm sehr wenig Spaß und so hat man oft das Gefühl, dass sich The King sehr schnell seinem Schicksal ergibt und wenig Gegenwehr leistet. Aber gerade dieser anfängliche Übereifer macht dieses Programm so interessant. Es bietet aufmerksamen Schachspielern, welche sich nicht einschüchtern lassen, gute Möglichkeiten zum Kontern.
In der Pressemitteilung nimmt Millennium 2000 auch Bezug auf die beim ChessGenius Exclusive mitgelieferte Engine ChessGenius von Richard lang mit folgenden Worten:
Das Programm ChessGenius überzeugt durch sein exzellentes strategisches Positionsspiel,
es nutzt gegnerische Fehler gnadenlos aus und gilt als besonders stark im Endspiel.
Dieser Aussage kann ich absolut nicht zustimmen. Nach Hunderten von gespielten Partien gegen so ziemlich jedes Lang-Programm und auch gegen die Version im ChessGenius Exclusive kann ich sagen, dass das sogenannte Positionsspiel des ChessGenius aus vielen ratlosen Zügen besteht. Der Autor der Pressemitteilung macht es sich bei der Beschreibung des Spielstils schon ziemlich einfach. Nur weil ChessGenius nicht so aggressiv wie andere Engines agiert, bedeutet das nicht automatisch, dass der Spielstil als positionell bezeichnet werden kann. Vielmehr ist es so, dass der ChessGenius sich in vielen Phasen der Partie in Lauerstellung befindet und einfach nur Abwartezüge ausführt. Auch werden ohne Abschluss der Eröffnung sehr oft bereits entwickelte Figuren nochmals gezogen. Sehr ökonomisch geht ChessGenius mit Tempi definitiv nicht um. Wie schlecht es um das Positionsspiel des ChessGenius gestellt ist, kann man auf folgender Seite nachlesen:
Match: IM Roman Vidoniak vs. ChessGenius Exclusive
Auch im Endspiel ist der ChessGenius nicht gerade die Sahne auf der Torte. Zwar wurde bei der Programmierung gerade im Bezug auf Bauernstrukturen viel Wissen in die Engine eingepflegt, jedoch übersteigen recht viele elementare Endspiele den Horizont dieser Engine. Hier macht The King auf jeden Fall einen besseren Eindruck, obwohl sich auch diese Engine hier und da mal verzettelt.
Womit wir auch schon zur nächsten Aussage in der Pressemitteilung von Millennium über The King kommen:
Nach Ansicht von Insidern könnte es möglich sein, dass hier der erste „klassische“
Schachcomputer ein Großmeister-Niveau von ≤ 2500 Elo erreichen wird
Bei diesen Insidern handelt es sich fast ausschließlich um normale Schachspieler und Schachcomputer-Sammler, welche auf Nachfrage mitgeteilt haben, nie diese Aussage getroffen zu haben. Das Millennium 2000 mit solchen erfundenen Aussagen ein Produkt bewirbt, ist schon ziemlich befremdlich. Um eine Aussage über die Spielstärke des Programms treffen zu können, lassen diese „Insider“ das Programm gegen andere Engines antreten. Wie sehr diese Art der Ermittlung der Spielstärke zum Glücksspiel wird, zeigt sich an den von den Engines aus dem Buch gespielten Eröffnungen. Hier greift auch The King bei seinen ersten Zügen auf ein vorgegebenes Buch zu und sobald das Ende der vorgegebenen Buchvariante erreicht ist, darf die Engine selbst rechnen. Hier werden teilweise absolute Katastrophen-Varianten gespielt und die Engine zum Rechnen in ein Mittelspiel entlassen, was dem Verwalten eines Schrottplatzes sehr nahe kommt.
Nach Durchsicht dieser Partien zusammen mit echten Großmeistern und echten internationalen Meistern sind wir zu der Erkenntnis gekommen, dass The King sehr weit weg vom Großmeister-Niveau ist. Allenfalls FM-Niveau (2300 ELO) könnte man dem Programm noch zugestehen.
Es ist für mich ein Rätsel, wieso die Marketing-Abteilung von Millennium 2000 nicht die wirklichen Vorzüge dieser Engine bewirbt. Stattdessen wird mit einer zweifelhaft hohen ELO geworben, welche dieses Gerät einfach nicht hat. Das muss The King aber auch nicht haben. Das Programm muss den Anwendern Spaß machen und das tut es. Wer von einem Brettschachcomputer eine hohe ELO erwartet, greift sowieso zum DGT Pi in Verbindung mit einem DGT-Set. Zumindest bei der Aussage, dass es sich möglicherweise um den ersten klassischen Schachcomputer handelt mit GM-Niveau, ist man sich dann doch nicht ganz so sicher. Das es mit dem Revelation II bereits seit vielen Jahren einen klassischen Schachcomputer gibt, welcher definitiv über GM-Niveau spielt, weiß man dort mit Sicherheit. Aber die Werbetrommel will natürlich gerührt werden 😉
Mit einem geplanten Verkaufspreis von 199,-€ ist das The King Modul wahrhaftig kein Schnäppchen und um in den Genuss des Programms zu kommen muss man sich zuvor das Komplettpaket ChessGenius Exclusive mit Lang-Modul zulegen. Fans und Sammler von Brettschachcomputern bekommen damit allerdings die Möglichkeit, endlich zu den Besitzern eines Brettschachcomputers zu gehören, in welchem eine King-Engine läuft.
Erwähnen muss man aber auch , dass es seit mehr als 10 Jahren die Möglichkeit gibt, ein DGT-Set mit der Chessmaster-Software zu verbinden und damit auch direkt am Brett gegen The King zu spielen und zu trainieren.
Selbstverständlich werden wir auch das The King Modul in einem Match gegen einen Meisterspieler testen und anschließend darüber berichten, wie denn nun wirklich die Spielstärke des Programms einzuschätzen ist. Aber auch die Trainingsmöglichkeiten mit dem King-Modul werden wir unter die Lupe nehmen. Hier liegt meiner Meinung nach der eigentliche Vorteil dieses Moduls.
Bis bald
Euer Benny